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Rund um den Pflichtteil: Fachanwältin Juliane Böhm aus Neuruppin und Wittenberge

Unter Erben gibt es oft Streit. Erblasser sollten daher schon zu Lebzeiten entsprechende Regelungen treffen. FOTO: DPA/ANDREA WARNECKE

1. Wenn Kinder enterbt werden, haben diese ein Pflichtteilsrecht. Meist geschieht dies dadurch, dass sich die Ehegatten gegenseitig zum Alleinerben einsetzen. Nicht immer ist eine friedliche Einigung möglich. Das Oberlandesgericht Rostock (Urteil vom 20.06.2019 - 3 U 32/17) hatte zu klären, was passiert, wenn kein nennenswertes Vermögen außer dem vom Ehegatten bewohnten Hausgrundstück vorhanden ist. Gemäß § 2331a BGB kann der Erbe eine Stundung des Pflichtteiles verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte ist. Das kann der Fall sein, wenn der Ehegatte das Hausgrundstück verkaufen müsste, um den Pflichtteil zu zahlen. Dass Gericht hat aber nicht nur die Interessen des Erben, sondern auch die Interessen des Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen. Das OLG Rostock entschied: Eine Stundung soll nicht gewährt werden, wenn absehbar ist, dass der Erbe auch durch Stundung nicht in die Lage versetzt wird, sich jemals die Mittel zur Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Letztendlich soll der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsbetrag eben auch erhalten.2. Was passiert, wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten ein Grundstück überträgt, bei dem ein Wohnrecht und Pflegeleistungen vereinbart werden, wenn der Erblasser kurz darauf verstirbt? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Frankfurt/ Main (Beschluss vom 06.05.2019 - 8 W 13/19) beschäftigt. Das Gericht prüfte, ob der Vertrag korrigiert werden müsse. Der Kaufpreis musste nach Ansicht des Gerichtes nicht nachträglich erhöht werden, nur weil der Erblasser wenige Wochen nach dem Vertragsschluss verstorben war. Das Gericht begründete dies damit, dass beide Parteien über die Lebensdauer und die Frage ob der Erblasser pflegebedürftig werden würde im Ungewissen waren. Damit war nach Ansicht des Gerichtes kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung gegeben. Hier müssten weitere Umstände hinzutreten.

3. Bei einer Schenkung zu Lebzeiten an Kinder ist häufig ein Wunsch der Eltern nach Gleichbehandlung und damit auch dem Wunsch, dass sich das Kind das Geschenk zu Lebzeiten beim Erbfall auch anrechnen lassen muss, also nicht zusätzlich erhält. Das OLG München (Urteil vom 06.02.2019 - 20 U 2354/18) hat hierzu festgestellt, dass diese Erklärung zur Anrechnung auf den Pflichtteil gemäß § 2315 Abs. 1 BGB als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung vor oder bei der Zuwendung formlos erfolgen kann, mithin auch mündlich oder stillschweigend erklärt werden. Zwingende Voraussetzung ist aber, dass der Pflichtteilsberechtigte vor oder bei Zuwendung die Anrechnung erkennen kann.

4. Damit sich der Pflichtteilsberechtigte einen Überblick über den Nachlass und die Höhe seines Pflichtteilsanspruches verschaffen kann, kann er Auskunft und auch Auskunft durch ein notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Dies kann der Erbe verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die Kosten für den Notar entnommen werden können, nicht vorhanden ist. Das Oberlandesgericht München (Urteil vom 01.06.2017 - 23 U 3956/16) hat entschieden, dass der Erbe die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses nicht verweigern kann, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereit ist, die Kosten für das Verzeichnis zu tragen und im Voraus direkt an den Notar zu entrichten.

5. Pflichtteilsberechtigt sind u.a. Abkömmlinge des Erblassers. Dazu zählen Kinder und wenn diese z.B. enterbt oder vorher verstorben sind, deren Kinder, also die Enkelkinder des Erblassers. Zum Nachweis der Abstammung reicht die Vorlage einer Geburtsurkunde, entschied das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 26.10.2017 - 10 U 31/17).

Juliane Böhm, Fachanwältin für Erbrecht und Verkehrsrecht, Neuruppin und Wittenberge