Ein Angebot des medienhaus nord

Einen Unterschied machen wollen

Hohe Arbeitsbelastung, geringe Löhne: Pflegekräfte kämpfen für bessere Bedingungen. Stellt sich die Frage: Warum sollte man sich überhaupt für den Beruf entscheiden?

Wer in der Pflege arbeiten will, sollte empathisch sowie körperlich und psychisch belastbar sein - trotz schwieriger Arbeitsbedingungen lieben viele Pflegekräfte ihren Beruf. Foto: Tom Weller/dpa/dpa-tmn

Eigentlich wollte Lea Friedrich Theater machen. Die Hospitanz an einer Berliner Bühne gefiel ihr gut, doch dann kam es anders. Auf einer Party lernte sie einen Krankenpfleger kennen, der ihr Einblicke in ein ganz anderes Berufsfeld eröffnete. „Gerade im Vergleich zur Kunstwelt hat mich das total fasziniert“, sagt sie.Um eigene Erfahrungen zu sammeln, machte sie ein Praktikum in der Krankenpflege. „Dann war schnell klar, dass ich die Ausbildung machen will“, erzählt die 27-Jährige. Vom Theater ins Krankenhaus? Viele in ihrem Umfeld reagierten irritiert. Doch Lea Friedrich war sicher. „Ich habe gemerkt, dass ich etwas brauche, das mich am Boden hält.“Die Pflege hat in Deutschland einen schlechten Ruf. „Jeder kennt irgendjemanden, der in dem Bereich arbeitet, und bekommt mit, wie hoch die Belastung ist“, sagt die Gesundheits- und Krankenpflegerin. Auch während der Corona-Pandemie wird über Fachkräftemangel, Arbeitsbelastung und zu niedrige Löhne diskutiert.

Aus dem Blick gerät dabei oft, wie motiviert viele Pflegekräfte ihren Job ausüben. „Ich wäre nicht so engagiert, wenn ich meinen Beruf nicht so lieben würde“, sagt Valentin Herfurth. Wie Lea Friedrich ist der 25-jährige Gesundheits- und Krankenpfleger im Bündnis „Walk of Care“ aktiv, das sich für einen grundlegenden Wandel im Medizin- und Gesundheitswesen einsetzt.

Als er seine Ausbildung begann, war sich Valentin Herfurth der Herausforderungen bewusst - und nahm sie als Ansporn, sich politisch zu engagieren. Auch Lea Friedrich hat erlebt, dass junge Menschen keineswegs blauäugig in die Ausbildung stolpern. „Die Leute, die das machen, haben sich Gedanken gemacht, ob sie das wirklich wollen.“

Valentin Herfurth wollte eigentlich Medizin studieren und absolvierte deshalb ein Pflegepraktikum. „Dabei habe ich gemerkt, dass das, was ich mir vom Beruf als Arzt versprochen habe, in der Pflege viel präsenter ist.“

Wichtig war für ihn die Nähe zu den Patientinnen und Patienten. „Ich dachte, ich kann Menschen in der Bewältigung von existenziellen Krisen unterstützen“, sagt er. Beim Praktikum habe er gemerkt, dass es in der Praxis eher die Pflegekräfte sind, die Menschen in solchen Momenten zur Seite stehen.

Er empfiehlt, immer erst ein Praktikum in der Pflege zu machen. „Dort kann man dann Kolleginnen und Kollegen, von denen man den Eindruck hat, dass sie fachlich etwas draufhaben, nach ihrem Werdegang fragen.“

Ein großer Vorteil seines Berufs sei, dass Pflegekräfte immer gebraucht werden, sagt Herfurth. „Ich werde mein Leben lang immer einen Job haben.“ Als Krankenpfleger könne er überall auf der Welt arbeiten und Hilfe leisten - ob auf Festivals oder in der Flüchtlingshilfe.

Überrascht habe ihn der inhaltliche Anspruch der Ausbildung. „Ich habe gemerkt, dass das Ganze auf einem extrem hohen Niveau stattfindet - was auch richtig ist. Ich trage ja nachher Verantwortung für Menschenleben.“

Wichtig sei, Reflexionsfähigkeit und Gelassenheit gegenüber stressigen Situation mitzubringen. „Man muss sich bewusst sein, dass wir Pflegenden täglich in sensible Lebensbereiche eindringen. Ich sollte mich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn Patientinnen und Patienten auch mal gereizt reagieren.“ Als wertvoll empfinde er, viel über menschliche Kommunikation zu lernen.

Wer in der Pflege arbeiten wolle, sollte empathisch sowie körperlich und psychisch belastbar sein, bestätigt Gabi Heise. „Das ist ja nicht immer so hübsch wie im Fernsehen“, betont die ausgebildete Krankenpflegerin, die als Betriebsrätin bei den Vivantes-Kliniken in Berlin arbeitet und sich beim Bündnis „Gesundheit statt Profite“ engagiert.

„Die Pflege ist ein wunderschöner Beruf, wenn man Zeit für seine Patienten hat“, sagt sie. Während der Ausbildung durchlaufe man viele unterschiedliche Bereiche. „Da bekommt man schon ein Gefühl dafür, was einem liegt.“

Ausbildungsplätze gebe es derzeit viele, weil Nachwuchs gesucht werde. Leider verließen viele junge Menschen den Beruf schnell wieder. Wer heutzutage in der Pflege arbeiten wolle, solle bereit sein, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, findet die Betriebsrätin.

Lea Friedrich erzählt, sie sei anfangs selbst manchmal schockiert gewesen, wie Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus miteinander oder mit Patientinnen und Patienten umgehen. Es gäbe einige, die nach den ersten Frusterfahrungen abbrechen. Wichtig ist deshalb, dass man sich in seiner Entscheidung sicher ist. Leider könnten Pflegekräfte im Alltag oft nicht so handeln, wie sie gerne würden.

„Trotzdem kann man immer einen Unterschied machen“, betont die Krankenpflegerin. „Wir brauchen Menschen, die anders denken, um das Gesundheitssystem anders zu gestalten.“ Sie selbst bringt ihr kulturelles Interesse in den Arbeitsalltag ein, bietet Projekte in der Kreativwerkstatt der DRK Kliniken in Berlin an oder sitzt mit der Gitarre am Bett von Patientinnen und Patienten. „Besonders beeindruckt mich, wie ich als eigentlich komplett fremde Person so ein wichtiger Bezugspunkt sein kann. Das ist für mich bis heute der größte Zauber.“

Gemeinsam mit den Aktivistinnen und Aktivisten von „Walk of Care“ setzt sie sich dafür ein, dass die Bedingungen, unter denen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen ihren Beruf ausüben, besser werden. Denn sie arbeiten gerne in der Pflege - und möchten es noch lange tun, ohne selbst ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Inga Dreyer, dpa

Akademisierung: Studiengänge für angehende Gesundheitskräfte

Für Jobs in der Gesundheitsbranche werden verstärkt Studiengänge angeboten.

Ob Hebammen, Pflegekräfte oder Logopädinnen und Logopäden: Für viele Jobs im Gesundheitswesens gibt es mittlerweile nicht nur eine klassische Ausbildung an der Berufsfachschule oder im Betrieb, sondern auch einen Weg über ein Studium an der Hochschule. Darauf weist das Portal “abi.de“ der Bundesagentur für Arbeit hin.

Die Akademisierung ist jedoch noch nicht in allen Berufen gleich weit. Für angehende Hebammen ist seit Januar 2020 aber zum Beispiel grundsätzlich ein duales Hochschulstudium mit dem Abschluss “Bachelor of Science“ vorgeschrieben. Die bisherige schulische Ausbildung endet mit der Übergangsfrist 2022, wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) informiert. Die Studiengänge nennen sich laut abi.de zum Beispiel Angewandte Hebammenwissenschaft, Hebammenkunde oder Midwifery.

Auch andere pflegerische und therapeutische Ausbildungsberufe können Interessierte vermehrt an Hochschulen erlernen. In der Pflege etwa gäbe es erste. Modellstudiengänge wie Angewandte Pflegewissenschaft, Gesundheitswissenschaften oder Evidenzbasierte Pflege, informiert das Portal. Eine Übersicht zu Pflegestudiengängen gibt es etwa auf der Pflegeausbildungs-Webseite des BMG.

Wer sich für den therapeutischen Bereich interessiert, kann sich beispielsweise für Angewandte Therapiewissenschaften oder auch Ergotherapie einschreiben.

Viele Studiengänge seien dual organisiert: Studienphasen wechseln sich mit Praxisphasen oder einer schulischen Ausbildung an einer Berufsfachschule ab.

Die Studiengänge sollen die Berufe nicht nur attraktiver machen und dafür sorgen, dass Absolventen etwa auf Augenhöhe mit Ärztinnen und Ärzten zu Therapien beraten und entscheiden können. Die akademische Ausbildung trage auch zur europäischen Vergleichbarkeit der Abschlüsse bei, wie Michael Hümmer, Berufsberater bei der Agentur für Arbeit Fürth in dem Beitrag erklärt. Dort gäbe es entsprechende Studiengänge schon lange. (dpa)