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Björn Harke ist selbstständiger Handwerker: Jetzt bin ich der Boss

Der 31-jährige Björn Harke aus Schwerin ist Orthopädieschuhmacher und hat einen kleinen Handwerksbetrieb von seiner Chefin übernommen

Björn hat bei Iris Schindler als Lehrling angefangen. Jetzt tritt er in ihre Fußstapfen.

Die Generation der Babyboomer verabschiedet sich aus dem Job. Das ist die Chance für junge Leute, im Handwerk Karriere zu machen. Björn Harke hat sich getraut. Seit Januar ist er der Boss.

Es gibt Tage, da schütteln Björns Eltern noch immer ungläubig ihren Kopf. Darüber, dass ihr Sohn Handwerker geworden ist. Und was für einer. Kein Tag vergeht, an dem er nicht fröhlich zur Arbeit spaziert. ,,Ich hätte selbst nie gedacht, dass ich mal diese Richtung einschlage", sagt er. ,,Früher hab ich jedenfalls nicht viel für handwerkliche Dinge übrig gehabt."

Seit Januar leitet Björn sogar schon seinen eigenen kleinen Handwerksbetrieb. Den hat der 31-Jährige von seiner Chefin übernommen. Andere werden neidisch sein, schließlich steht tausenden Handwerksbetrieben burg-Vorpommern in Mecklenin den nächsten fünf Jahren ein Generationenwechsel bevor. Doch einen Nachfolger zu finden, fällt vielen Firmenchefs schwer. Schließlich gibt es zu wenige ,,Björns", die das goldene Handwerk wiederentdecken.

Aber was macht Björn eigentlich genau? Er ist Orthopädieschuhmacher. Das sind die, die so extra Schuhe anfertigen - für Diabetiker, Leute, die einen komplizierten Bruch einen haben oder Knick- oder Spreizfuß. Meist nimmt sich Björn eine Sohle und baut dann mit echtem Leder einen neuen Schuh drumherum. Weil jeder Fuß anders ist, wird es nie langweilig. Handarbeit, Köpfchen und Kreativität sind gefragt. Für einen 14-jährigen Jungen hat er zum Beispiel gerade einen Schuh angefertigt, der aus dessen Lieblingsfarbe besteht und mit einem Logo aus der Lieblingsserie. Auch einen Hansa Rostock-Schuh hat er schon für einen Kunden kreiert. Auch wenn Björn, der in Vorpommern aufgewachsen ist, heute seinen Job liebt - am Anfang hat ihm der Beruf nicht besonders gefallen. Nach einem Jahr Ausbildung bei einem Orthopädieschuhmacher in Neubrandenburg wechselt er ziemlich geknickt zur Orthopädieschuhmacherin Iris Schindler nach Schwerin, die dort einen alten Handwerksbetrieb von 1927 leitet. Bei ihr fühlt er sich wohl. Die Chemie stimmt. Björn büffelt, lernt viel über Anatomie und schließt die 3,5 Jahre dauernde Ausbildung als schließlich Landesbester ab. Und weil er so in Fahrt ist, hängt er gleich noch seine Meisterausbildung hinten ran.

Der junge Mann kann sich nun auch vorstellen, den „Laden“ zu übernehmen. Viele Firmenchefs warten zu lange, bis sie den Staffelstab übergeben. Iris Schindler nicht. Schon vor ein paar Jahren hat sie sich Gedanken um die Zukunft ihrer Firma gemacht. So ein Wechsel braucht schließlich Zeit. Wertvolle Maschinen und ein Kundenstamm müssen übergeben, eine Übernahmesumme ausgehandelt werden. ,,Als der Wechsel Anfang Januar anstand, hatte ich noch ein paar schlaflose Nächte", erzählt Björn. „Ist es richtig, was ich da tue?" Inzwischen fühlt er sich wohl als Chef, nur der Papierkram nervt, die ganzen Vereinbarungen mit den Krankenkassen...

Zum Glück ist Iris Schindler noch da. Sie geht zwar dieses Jahr in den Ruhestand, doch ein paar Stunden wird sie noch bei Björn im Geschäft arbeiten. Die Chemie zwischen den beiden ist immer noch bestens. Und darum kann sie gut damit leben, dass der junge Mann mal hier mal da der Werkstatt und dem Laden einen neuen Anstrich verpasst und die Firma digitaler aufstellt.

Weil der Orthopädieschuhmacher ein Nischenberuf ist und viele künftige Schulabgänger ihn gar nicht kennen, will Björn ihn bekannter machen. „Ich freu mich, wen ich jetzt Azubis finde", sagt er. Bis es soweit ist, öffnet er seine Werkstatttüren jeden Monat für Praktikanten. Hierfür hat er mit einer Schule extra eine Vereinbarung getroffen. Einen Tag im Monat darf ein Schüler oder eine Schülerin ihm über die Schulter schauen.

Wie ist denn das? Hat ein junger Firmenchef auch noch Zeit für andere Sachen? ,,Klar doch“, sagt Björn. „Ich gehe gern zum Kegeln und weil mir die japanische Kultur so gefällt, mach ich in einem Japanverein mit."  Anja Bölck